Die 10 wichtigsten Fragen zur Assistenz-Harmonisierung
Wir beantworten die wichtigsten Fragen zur neuen Harmonisierungs-Richtlinie für Persönliche Assistenz
Am Wochenende hat Sozialminister Johannes Rauch eine neue Richtlinie zur Persönlichen Assistenz veröffentlicht.
Was sich genau verändert, ist aber auf den ersten Blick gar nicht so einfach zu verstehen. 🤔
Unsere ava Inkluencerin Melanie Wimmer hat sich die Richtlinie genau angesehen. Sie organisiert ihren Alltag mit Assistenz. Die Richtlinie betrifft sie also direkt.
Danach hat sie sich mit ihren Fragen an den ava Leiter Andreas Ausserhofer gewendet.
Im Interview beantwortet er die 10 wichtigsten Fragen zur Assistenz-Harmonisierung.
1. Was bedeutet Harmonisierung der Persönlichen Assistenz?
Die Persönliche Assistenz für Menschen mit Behinderungen ist in allen 9 Bundesländern Österreichs anders geregelt.
- Ein Beispiel: In Wien bekommt man Persönliche Assistenz ab Pflegestufe 3
- In Niederösterreich bekommt man Persönliche Assistenz ab Pflegestufe 5
Menschen mit Behinderungen haben unterschiedlichen Zugang zu Förderungen.
„Harmonisierung“ bedeutet, dass die Regeln für Persönliche Assistenz in ganz Österreich gleich sein werden. Das betrifft alle Regeln rund um Persönliche Assistenz.
Ein paar Beispiele: Es gibt nur noch ein Formular. Alle bezahlen ihren Assistent*innen gleich viel. Es gibt nur noch einen Ort, wo man die Abrechnung macht. Das wird in Österreich überall gleich sein.
2. Was ändert sich für Menschen, die Persönliche Assistenz haben?
Alle Menschen, die bereits Persönliche Assistenz haben, können diese weiterhin in Anspruch nehmen. Es kann aber sein, dass Änderungen notwendig werden.
Änderungen darf es aber nur dann geben, wenn sie eine Verbesserung für die Menschen mit Behinderungen sind.
Ich erkläre das anhand von einem Beispiel:
Ein Beispiel ist die Anzahl der genehmigten Assistenzstunden. Die Harmonisierung empfiehlt 300 Assistenzstunden pro Monat im Durchschnitt. Alle Menschen mit Persönlicher Assistenz, die bisher weniger Assistenzstunden genehmigt bekommen haben, können dann eine Erhöhung ihrer Stunden beantragen und prüfen lassen.
3. Bekommen jetzt alle Menschen mit Behinderung Assistenz? Wer kann Persönliche Assistenz beantragen?
Neu ist, dass die Persönliche Assistenz jetzt von allen Menschen mit Behinderungen unabhängig von der Art der Behinderung beantragt werden kann.
Zum Beispiel: Menschen mit körperlichen Behinderungen, Menschen mit Sinneseinschränkungen, Menschen mit Lernschwierigkeiten und Menschen mit psychischen Einschränkungen. Alle können Persönliche Assistenz beantragen.
4. Ich habe in der Richtlinie das Wort „Anleitungsfähigkeit“ gelesen. Was bedeutet das?
Das ist ein schwieriges Wort. Wichtig ist es für Menschen mit Lernschwierigkeiten und psychischen Einschränkungen.
Anleitungs-Fähigkeit bedeutet, dass man jemandem erklären kann, was man braucht.
Das ist nicht so einfach. Man muss erst wissen, wo man Unterstützung braucht. Und das dann gut erklären können. So, dass es eine Assistenzperson gut versteht. Das ist wichtig, damit diese Person den Beruf als Assistenz gut machen kann.
Um Persönliche Assistenz zu haben, muss man gut sagen können, was man braucht. Nur dann kann man Persönliche Assistenz bekommen.
5. Was ändert sich bei der Persönlichen Assistenz am Arbeitsplatz?
Für Menschen, die bereits Persönliche Assistenz am Arbeitsplatz haben, ändert sich nichts.
Für Menschen, die Persönliche Assistenz am Arbeitsplatz neu beantragen oder verlängern möchten, gibt es Neuigkeiten!
Jetzt kann die Persönliche Assistenz am Arbeitsplatz (PAA) auch als Persönliche Assistenz arbeiten. Oder umgekehrt. Das ist in vielen Regionen Österreichs bisher nicht möglich. Dort müssen es unterschiedliche Assistent*innen sein.
Und die Abrechnung wird einfacher. Die Abrechnungen von Persönlicher Assistenz und Persönlicher Assistenz am Arbeitsplatz kann man am gleichen Ort machen.
6. Was ändert sich für Assistenzpersonen?
Für Assistent*innen gibt es zahlreiche Verbesserungen. Bis jetzt werden Assistenzpersonen in jedem Bundesland anders bezahlt. Es gibt viele unterschiedliche Arbeitsverträge. Die größte Verbesserung ist, dass alle Assistent*innen zukünftig angestellt sind. Manche haben im Freien Dienstvertrag gearbeitet. Manche wurden über den Dienstleistungs-Scheck bezahlt. Sie haben unterschiedlich viel verdient.
Assistent*innen bekommen dann immer einen gesetzlichen Mindestlohn. Sie haben Anspruch auf bezahlten Urlaub. Und sie bekommen im Krankheitsfall ab dem 1. Tag weiterhin Gehalt bezahlt. Sie sind sozialversichert und bekommen im Alter eine Pension.
Damit wird es in Zukunft viel mehr Menschen geben, die als Assistenz arbeiten möchten. Es ist ein sicherer Job mit Sinn.
Diese Verbesserungen kosten natürlich Geld. Diese Kosten werden vom Staat Österreich bezahlt. Für Menschen mit Behinderungen ist das ein Vorteil.
7. Was bedeutet das für die ava Plattform?
Durch die neue Richtlinie ändert sich auf der ava Plattform nicht viel.
ava war schon immer so ausgerichtet, dass man sie in jedem Bundesland benutzen kann.
Die ava Plattform ist ein sehr nützliches Werkzeug. Sie erleichtert Menschen mit Behinderungen das Finden und Organisieren von Assistenz-Teams und die Planung, Durchführung und Abrechnung von Assistenzleistung.
Gerade jetzt haben wir die ava Plattform auch für Trägerorganisationen optimiert. So können Träger ihre Assistenzpools organisieren und ihre Klient*innen erhalten mehr Selbstbestimmung bei der individuellen Organisation von Assistenz durch einen Träger.
Für Kärnten erweitern wir die ava Plattform gerade für die Harmonisierung. So wird das Land Kärnten über die ava Plattform wertvolle Informationen über die geplanten und verbrauchten Assistenzstunden erhalten.
Außerdem wird die Abrechnung der Stunden über die ava Plattform erleichtert und in ganz Kärnten einfacher gemacht. Das spart Geld, Zeit und viel Schreib- sowie Kopierarbeit.
Auch in anderen Regionen Österreichs wird über den Einsatz der ava Plattform nachgedacht. Ich halte dich hier gerne auf dem Laufenden!
8. Ich habe etwas von einem One-Stop-Shop gelesen? Kannst du mir das erklären?
Sehr gerne. One-Stop-Shop ist ein Wort aus der englischen Sprache, das bei uns manchmal verwendet wird.
Es bedeutet, dass sich Menschen mit Behinderungen nur mehr an eine Stelle wenden müssen, um alles rund um Persönliche Assistenz zu bekommen.
Diese eine Stelle hilft bei der Bedarfserhebung, macht die Beantragung der Persönliche Assistenz, beantwortet alle Fragen, vermittelt Peer-Beratung, hilft bei der Vermittlung von Assistenz, unterstützt dort wo notwendig, nimmt die Abrechnungen entgegen und macht die Kontrolle.
Vergleichen kann man das mit einem Reisebüro. Geht man in ein Reisebüro, dann bekommt man dort alles rund um die Urlaubsreise. Von Bus, Bahn oder Flugzeug – über das Hotel – bis hin zu Ausflügen und sogar Versicherungen. Man muss nirgendwo anders hingehen und kann die Urlaubsreise genießen.
Auch für die Persönliche Assistenz wird es solche „Reisebüros“ geben. Dort wird alles rund um die Persönliche Assistenz erledigt. Man muss zu niemand anderem mehr gehen.
9. Ab wann gelten diese Veränderungen?
Wie du dir denken kannst, steckt jede Menge Arbeit dahinter, alle neun Bundesländer in Österreich bei der Persönlichen Assistenz gleichzumachen.
Die Änderungen gelten bereits rückwirkend mit dem 1. Jänner dieses Jahres.
Allerdings werden die Änderungen nicht sofort in ganz Österreich umgesetzt. Aktuell werden die Änderungen in Tirol, Vorarlberg, Salzburg und Kärnten begonnen.
Aber auch dort werden sie langsam und Schritt für Schritt eingeführt – also nicht alles auf einmal, sondern eine kleine Änderung nach der anderen.
Und in ungefähr 2 Jahren sollen die Änderungen dann in ganz Österreich übernommen werden.
10. Kann man die ava Weiterbildung trotzdem machen?
Die ava Weiterbildung für Assistent*innen kann man trotzdem machen. Sie wird mit den geplanten Änderungen sogar immer wichtiger.
Die Harmonisierung empfiehlt eine freiwillige Weiterbildung für alle Assistent*innen. In Kärnten wird die ava Weiterbildung ab dem kommenden Jahr verpflichtend für alle Assistent*innen. In vielen anderen Bundesländern denkt man ähnlich.
Mehr als 1.500 Menschen haben die ava Weiterbildung in den letzten zwei Jahren gemacht. Wir haben von Assistent*innen und von Menschen mit Behinderungen positive Rückmeldungen dazu erhalten.
Durch die freiwillige Weiterbildung werden Menschen optimal auf den Beruf der Assistenz vorbereitet. Sie haben bereits eine gute Vorstellung davon, was sie dabei erwartet, sind zufriedener und bleiben auch länger im Beruf. Selbstverständlich lernen sie dann direkt beim Menschen mit Behinderung, was sie im Job machen. Das ist und bleibt ganz individuell.
Hast du Fragen oder Anmerkungen? Schreib uns einen Kommentar! Wir antworten dir gerne.